Wie jede museale Einrichtung der Moderne sieht sich auch Dr. Wolfs Wunderkammer mit dem Auftrag betraut, in erster Linie das in ihr Präsentierte zu bewahren, es in seiner Bedeutung weitergehend zu erforschen und die gewonnenen Erkenntnisse weiterzugeben.

Die kleine, aber ambitionierte Einrichtung verfolgt dabei ein Konzept, das sich dem üblichen Ausstellungskanon abhebt ohne diesen entwerten, sondern vielmehr wertvoll ergänzen zu wollen.

Um wieder dort anzusetzen, wo jede Wissen schaffende Unternehmung einmal begonnen hat : bei der menschlichen Neugier und der Begeisterungsfähigkeit für die Welt, in der wir leben.

Ästhetisch orientiert sich das Wolfsche Museumskabinett, wie sein vollständiger Name es bereits verraten mag, an historischen Kunst- und Wunderkammern. In diesen bemühten sich ab dem 16. Jahrhundert europäische Fürsten, Naturkundler und gut situierte Bürger, die bemerkenswertesten Objekte aus Natur, Technik und Kunst zusammenzutragen, um die Welt im Kleinen abzubilden und sie sich so aneignen zu können. Dieser Anspruch hat sich zwar gewandelt, doch das assoziative Konzept der historischen Vorbilder ist lebendig wie eh und je. Und auch das damals zu Grunde liegende Kategoriensystem aus Artificialia / Mirabilia, Naturalia, Exotica und Scientifica bleibt als Grundstruktur in dieser modernen Wunderkammer bestehen. Dabei erfolgt jedoch eine inhaltliche Umdeutung sowie eine Modernisierung des Kerngedankens.

Statt der antiquierten Überzeugung nachzuhängen, eine objektive Ordnung der Welt veranschaulichen zu können, werden hier die Subjektivität des Wissens und seiner Darstellung als produktive Ansatzpunkte zur Auseinandersetzung mit den Dingen angenommen. Gerade der Diskurs mit dem Außergewöhnlichen, dem Wunderbaren soll dazu anregen, festgefahrene Denkmuster zu hinterfragen und selbst kreativ zu werden.

Durch eine nichthierarchische Ordnung der gezeigten Objekte besteht die Gelegenheit eigenes Wissen einzubringen und zur Erarbeitung neuen Wissens beizutragen. Es kann eine unvoreingenommene Auseinandersetzung mit den Dingen stattfinden, die durch Staunen und Begeisterung neue Themenbereiche erschließt und die eigene Neugier als wertvolle Ressource wahrnehmbar werden lässt.

Die ausgestellten Objekte selbst tragen dabei, als ehemalige Teile privater Haushalte oder (wissenschaftlicher) Sammlungen bzw. Kunst- und Fundstücke, bereits Geschichte(n) mit sich. Sie werden durch die Einbindung in ein sich ständig erweiterndes und sich veränderndes Ausstellungssystem für neue Assoziationen und Gedankenspiele genauso geöffnet, wie sie ihre eigenen Geschichten erfahrbar machen.

Die zugehörigen Erzählungen sind dabei zwar immer realitätsbasiert, wagen aber auch Ausflüge ins Fantastische. Denn trotz wissenschaftlich-philosophischem Ansatz möchte diese Wunderkammer, eingebettet in ihre eigene Geschichte und mit dem Anspruch eine nicht nur optisch beindruckende Erlebniswelt zu sein, auch zu unterhalten wissen. Anachronismen und kultureklektische Spielereien spiegeln dabei die Welt in der wir leben und all die Welten und Weltbilder, die wir hinter uns gelassen haben, wieder und wieder. Was in seiner Gänze dabei zunächst nicht erfassbar scheint, wirkt im Detail betrachtet äußerst anregend.

So kann jeder noch so unmotivierte Geist etwas finden, das für sie oder ihn von Interesse ist, von dessen Existenz sie oder er aber vorher vielleicht noch gar nichts wusste. Es entsteht ein partizipativer, experimenteller wie interdisziplinärer Denkraum, in dem sich Wissenschaft, Popkultur und Mythologisches zu einer Mischung aus Museum und Gesamtkunstwerk verbinden.

Die Auseinandersetzung mit den Exponaten bleibt dabei trotz visuellem Fokus nicht auf diesen beschränkt, sondern findet auf allen Sinnesebenen statt, so dass die Qualitäten des Analogen eine genuine Erkenntniserfahrung ermöglichen, die den Wissensdurst gleichzeitig stillt und anregt. Denn in der Wunderkammer wird zwar viel erklärt, jedoch niemals alles. Zudem werden mit jeder neuen Erkenntnis auch neue Fragen aufgeworfen und somit zum Weiter- (und Wieder)entdecken sowie Weiterdenken motiviert.